Artikel der Süddeutschen Zeitung „Notaufnahmen sollen Bagatellfälle abweisen“

  • Berliner Kliniken sollen weniger Bagatellfälle behandeln.
  • Ärzte in Notaufnahmen müssen daher bei jedem Patienten, den sie tagsüber untersuchen, eine ausführliche schriftliche Begründung verfassen.
  • Kritik an dem Vorhaben wird laut: Kliniken würden zu Unrecht bestraft

Ein Artikel der erschreckend zeigt, wie man mit selbst herbeigeführten Missständen umgeht. Erst mal andere bestrafen, Mehraufwand betreiben lassen und mal schauen, ob sich jemand dagegen wehrt. Wenn nicht, Gut. Wenn doch, finden wir eine halbwegs nachvollziehbare Begründung dafür.

Es wurde in den vergangenen Jahren deutlich, dass mehr und mehr PatientInnen die Notaufnahmen als Hausarztpraxis oder Facharztzentrum á la MVZ wahrnehmen, da der Nachwuchs an FachärztInnen und AllgemeinmedizinerInnen fehlt und dadurch die Termine rar werden. In einer Stadt, wie Berlin mit 9.000 Kassenärzten zu argumentieren, wie es die KV tut, wirkt an dieser Stelle beinahe lächerlich. Man hört immer wieder das Echo aus den Mündern der PatientInnen in Notaufnahmen, die eine zu lange Terminwartezeit nicht in Kauf nehmen wollen und deshalb den „schnelleren Weg“ über die Kliniken wählen.

Die Notaufnahmen jetzt zu zwingen, noch mehr Dokumentation zu betreiben, führt sicher nicht zur Entlastung der KollegInnen.
Die PatientInnen mit dem grippalen Infekt müssen sie doch untersuchen, um sie eventuell wieder wegzuschicken. Siehe dazu: BSG Urteil vom 12.12.2012 (AZ B6 KA 5/12 R) „Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur …. bestimmen den Umfang der Diagnostik.“
Dafür soll es entweder kein Geld mehr geben oder eine ausführliche Begründung vorliegen. Das die Notaufnahmen, mit 72 Mio Euro Minus pro Jahr, die Poor Dogs der Kliniken sind, ist weithin bekannt. Das diese nun noch weniger Mittel erhalten sollen, ist kaum nachvollziehbar und mit dem Recht nur fraglich vereinbar („Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Leistungen von Nicht Vertragsärzten bzw. von Krankenhäusern im Rahmen von Notfallbehandlungen grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären.“ [BSG-Urteil vom 06.09.2006, Az. B 6 KA 15/06 R])
Die Notaufnahmen benötigen, trotz defizitärer Lage, eher mehr Personal um den Arbeitsaufwand zu bewältigen und nicht noch weniger.

Christoph Dodt (Präsident Deutsche Gesellschaft für Notfallmedizin) sagt, dass die PatientInnen ihre Lage kaum richtig einschätzen können und sich so schneller in die Ambulanzen begeben. Diese Betrachtungsweise ist aber auch nur einseitig, denn viele Menschen sind sich ihrer Lage sehr wohl im Klaren und begeben sich trotzdem in die Kliniken.

Man sollte sich doch ernsthaft fragen, welche Anreizsysteme geschaffen wurden, um diese Wirkung auf PatientInnen zu haben und ob man nicht hier etwas ändern könnte?!
In Berlin mag das Nachwuchsproblem noch nicht groß sein, aber in Flächenländern wie Brandenburg oder Rheinland Pfalz ist die Not schon jetzt sehr groß. Wenn das Beispiel der Berliner KV  dort Schule macht, wird es sicher zu noch größeren Problemen führen.

by Mathias Düring